In einem Interview mit dem Standard gibt Smartphone Coach Andrea Buhl-Aigner hilfreiche Tipps in Sachen Smartphone-Nutzung, Bildschirmzeit und Social Media.

Bildschirmzeit – Wieviel ist zu viel?

Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass Jugendliche etwa 64 Stunden pro Woche im Netz verbringen.

“Das sind alarmierende Zahlen! Das sind neun Stunden, die Großteils sitzend oder liegend verbracht werden. Dem Gehirn fehlen Ruhepausen, die Entspannung fehlt, die Zeit zum Verarbeiten fehlt, das geht auf Kosten von Lernerfolg, Kreativität, Konzentration, im Gehirn führt das zu Stress.” (Andrea Buhl-Aigner)

Und weiter: “Bildschirmnutzung am späteren Abend kann sich auf die Bildung des Schlafhormons Melatonin auswirken, dann dauert das Einschlafen länger, oder die Schlafqualität leidet. Bei langer Nutzung von sozialen Netzwerken kann die psychische Gesundheit leiden. 2017, 2019 und 2022 sind Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass lange Nutzung von sozialen Netzwerken bei jungen Menschen Depressionen, Angstzustände, Essstörungen und eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körperbilds bzw. das Verfolgen unrealistischer Schönheitsideale bewirken kann.”

Tiktok – Wo liegt das Problem?

Bei Kindern und Jugendlichen hoch im Kurs, von Eltern unverstanden und belächelt: Tiktok. Was hat es mit der Social Media Plattform auf sich? Andrea Buhl-Aigner: “Tiktok enthält Inhalte, die nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind, etwa Kriegs- und Krisenpropaganda, Werbung von Pornonetzwerken, Inhalte zu Alkohol- und Drogenmissbrauch, und es gibt eine große #feelingsad-Bubble – Menschen mit psychischen Erkrankungen, die sich offen austauschen und explizites Bildmaterial zum Thema Selbstverletzung teilen. Das Netzwerk setzt Mechanismen ein, die denen von Spielkasinos ähneln. Anders als in der realen Welt gibt es aber keine richtige Alterskontrolle.”

“Ein weiteres Risiko ist, dass Erwachsene sehr leicht mit Kindern oder Jugendlichen Kontakt aufnehmen können. Deswegen sage ich den Eltern immer: Versuchen Sie Tiktok bei Ihren Kindern so lange wie möglich hinauszuzögern!” (Andrea Buhl-Aigner)

Unabhängig von Altersgrenzen und Zugangskontrollen stellt der Smartphone Coach fest: “In der Praxis erlebe ich häufig Eltern, die gar keine Ahnung haben, was ihre Kinder im Netz konsumieren. Sie sagen dann: “Ich habe keine Zeit mich darum zu kümmern. Das sind alles Ausreden. Eltern, die ihre Kinder schützen möchten, befassen sich mit dem, was die Kinder da tagtäglich machen. Sie zeigen Interesse.”

Elternverantwortung – Kontrolle oder Privatsphäre?

Somit stellt sich die Frage: Sollten Eltern das Smartphone der Kinder kontrollieren, oder ist das Privatsphäre? Andrea Buhl-Aigner meint dazu: Es ist Aufgabe der Erziehungsberechtigten und auch des Gesetzgebers, hier klare Regeln zu finden. Eltern haben leider den mühsamen Part, den Zugang zu Geräten und die Zeiten stark zu regeln.

“Im Internet gibt es keinen Jugendschutz, dass müssen die Eltern übernehmen, von Anfang an.” (Andrea Buhl-Aigner)

Gewisse Maßnahmen zur Kindersicherung müssen also getroffen werden, wenn man einem Minderjährigen ein Smartphone in die Hand drückt. Dazu gehört etwa auch die Abmachung, dass man als Erziehungsberechtigter regelmäßig einen Bick auf die Apps und Spiele am Handy wirft oder den Videoverlauf in Youtube oder den “For me”-Feed in Tiktok ansieht.

Kurz und knapp – Tipps für Eltern

Generell rät Smartphone Coach Buhl-Aigner dazu, Kinder so spät wie möglich mit einem Smartphone auszustatten und keine Angst davor zu haben, dass das Kind in Sachen digitaler Bildung zurück bleiben könnte:

“Kinder unter 15 Jahren sind in einer digitalen Welt geboren. Keine Sorge, sie lernen alles früh genug.” (Andrea Buhl-Aigner)

Abschließend noch einige konkrete Tipps vom Smartphone Coach:

  • Erlauben Sie keine Handys im Schlafzimmer.

  • Legen Sie fixe handyfreie Zeiten fest (stunden- oder tageweise).

  • Warten Sie mit sozialen Netzwerken so lange wie möglich, mindestens jedoch bis die Jugendlichen 13 oder 14 Jahre alt sind (früheste Empfehlung der Netzwerke selbst).

  • Nutzen Sie den “begleitenden Modus” für Tiktok und andere Sicherheitseinstellungen für Jugendliche.

  • Besprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kind, was es sich ansieht.

  • Schauen Sie ab und zu auf Tiktok, Youtube oder Instagram mit oder lernen Sie Spiele kennen.

  • Melden Sie sich selbst auf Tiktok an oder gamen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind.

  • Versuchen Sie von Anfang an, Smartphones, Internettrends, Apps und Spiele zu einem normalen Teil des Alltags zu machen.

  • Haben Sie keine Scheu, im Notfall einzugreifen und eine App oder ein Spiel zu verbieten, wieder zu löschen oder als Konsequenz die Zeiten zu reduzieren.

  • Sie entscheiden, welchen Platz die digitale Medien in Ihrem Alltag bekommen und was Sie erlauben.

Safersurfing appelliert wie immer an die Verantwortung der Eltern, ihre Kinder in Sachen Mediennutzung nicht sich selbst zu überlassen. Auf unserer Website findest du weitere Infos zum Thema sowie Tipps für den Alltag. Ein Interview, das wir mit Smartphone Coach Andrea Buhl-Aigner führen durften, findest du hier:

 

 

Bildquelle: ©Laura Chouette/Unsplash

 

 

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