Immer früher und immer häufiger kommen Kinder mit pornografischen Inhalten in Kontakt. Zumeist erst einmal unfreiwillig. Kann dies ohne weitreichende Folgen für die weitere Kindheit und Zukunft verlaufen? Experten, Psychologen und Ärzte kommen zu einem recht einheitlichen Schluss.

“Es ist eine Katastrophe”

Sexualmedizinerin Marianne Greil-Soyka spricht in einem Interview das Thema “Sexuelle Störungen” an und weist darauf hin, dass eine zu frühe Auseinandersetzung in der Kindheit selbst mit “nicht von der Norm abweichenden pornografischen Bildern” das sexuelle Selbstbild und das Verständnis für Geschlechterrollen negativ beeinflussen könne.

“Es ist eine Katastrophe, dass Kinder mit ein paar Mausklicks mit pädophilen oder sodomistischen Inhalten konfrontiert sind. Eigentlich müsste jeder Mediziner bei der Sexualanamnese zuerst fragen, wann man den ersten Porno gesehen hat.” (Marianne Greil-Soyka, Sexualmedizinerin)

Aufgrund dessen fordert sie ganz klar “solche Inhalte bis zur Pubertät zu verunmöglichen”.

Pornokonsum in der Kindheit ist Missbrauch

Ganz ähnlicher Ansicht ist auch Diplom-Psychologin Tabea Freitag von der return Fachstelle Mediensucht in Hannover.

“Diese Bilder brennen sich ein in einem Alter, in dem noch keine eigenen Erfahrungen bestehen und prägen die sexuelle Lerngeschichte. Wir würden Kinder ja auch nicht allein ins Rotlichtmilieu laufen lassen, aber wir lassen sie quasi ungeschützt in die Keller der SM-Pornografie. Wir nehmen ihnen damit ganz viel von ihrer eigenen Entdeckungsreise zu einem Thema, bei dem sie ein Recht haben, das später in einer Beziehung selber zu erfahren.” (Tabea Freitag, Diplom-Psychologin)

Und das habe ganz konkrete Folgen. Kinder, die die schützende Grenze zwischen privat und öffentlich nicht mehr wahrnehmen können, fordern laut Freitag zum Beispiel andere häufiger dazu auf, ihnen Nacktbilder zu schicken. Ein Problem, das sich aktuell unter Jugendlichen weltweit immer häufiger zeigt, teilweise bereits bei jüngeren Kindern.

Studien zufolge enthielten 90 Prozent der analysierten Pornos physische Gewalt. Bei circa 50 Prozent konnten die Forschenden verbale Gewalt ausmachen.(1) Und das hat Auswirkungen: So zeigen zahlreiche Studien, dass es beispielsweise einen direkten Zusammenhang zwischen Pornokonsum bei Minderjährigen und missbräuchlichem Verhalten gegenüber Frauen gibt.

“Medienkompetenz allein ist nicht genug”

Aufgrund der Verstörung, die solche Bilder und Videos hinterlassen können, sei eine sogenannte Medienkompetenz allein nicht ausreichend, sagt Tabea Freitag.

“Medienkompetenz ist im besten Fall eine kritische Auseinandersetzung mit Inhalten, dazu sind Kinder noch nicht in der Lage, haben noch nicht den Entwicklungsstand. Weil Sexualität noch kein Thema ist, das sie wirklich begreifen können. Auch wirken Bilder grundsätzlich stärker als Worte. Erst recht, wenn es um stark erregende, emotionale Bilder wie Pornografie geht.” (Tabea Freitag)

Und weiter erklärt sie: “Was selbst bei Jugendlichen und Erwachsenen oft nicht möglich ist, das können wir erst recht nicht in der Kindheit voraussetzen. Trotzdem ist es wichtig, mit ihnen über solche Inhalte zu sprechen und sie nicht allein zu lassen. Aber wir dürfen die Verantwortung nicht auf die Kinder abschieben nach dem Motto, mit ein bisschen Medienkompetenz geht das schon.”

Safersurfing ist es ebenfalls ein großes Anliegen, dass der Kinder- und Jugendschutz im Internet ernst genommen wird, insbesondere auf rechtlicher Ebene. Auch wenn Eltern die erste und größte Verantwortung für ihre Kinder tragen, so muss das Thema dennoch von Politik und Gesellschaft breiter mitgetragen sowie bestehende Gesetze auch von Anbietern eingehalten werden. Auf diesem Gebiet gibt es unserer Ansicht nach noch sehr viel zu tun. Mehr zum Thema findest du auf unserer Website.

 

(1) Ana J. Bridges et al., “Aggression and Sexual Behavior in Best-Selling Pornography Videos: A Content Analysis Update”, Violence against Women 16, no. 10 (2010): 1065-1085

Bildquelle: ©Kevin Gent on Unsplash

 

 

 

 

 

 

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