„Sie macht das ja freiwillig!“ Diese Aussage ist in Wahrheit ein Mythos und doch wird sie immer wieder bezüglich Porno-Darstellerinnen* und Prostituierter verbreitet. Worauf beruht diese Annahme? Hat es schlicht mit dem leider so üblichen Wegsehen unserer Gesellschaft zu tun? Was haben Pornografie und Prostitution überhaupt miteinander zu tun?

Pornografie und Prostitution als letzter Ausweg

Experten aus NGOs und Beratungsstellen sowie Überlebende selbst, bezeugen, dass von Freiwilligkeit geschweige denn einer echten Wahl weder bei Prostitution noch bei Pornografie die Rede sein kann. „Sie hat doch diesen Weg gewählt!“ Hat sie das? Wenn ich in einem Lebensmittelladen vor einem Regal stehe, überlege ich, was ich einkaufen möchte und wähle zwischen verschiedenen Produkten aus. Für Betroffene von Pornografie und Prostitution besteht die Wahl in der Regel jedoch nur aus zwei Optionen: Armut oder ein Verdienst, mit dem man über die Runden kommt und vielleicht noch die eigene Familie einigermaßen versorgen kann. Das bedeutet, dass viel mehr ein Zwang hinter einer vermeintlich freiwillig getroffenen Entscheidung steht. Man spricht hier oft auch von „Survival Sex“ (Überlebens-Sex): Geschlechtsverkehr, den man gezwungenermaßen ausübt, um zu überleben, um Geld für Miete, persönliche Ausgaben oder den Unterhalt der Familie aufbringen zu können.

Fragt man Personen, die in in einem oder beiden Gewerbe tätig sind, hört man zumeist, dass sie „das“ eigentlich nie machen wollten. Gleichzeitig erwähnen sie jedoch nur selten den Zwang, der dahintersteht, denn sie fühlen sich beschämt und schuldig. Gefühle, welche unsere Gesellschaft häufig weiter schürt. Was bleibt, ist immer wieder das Gefühl, keine andere Wahl zu haben.

Menschenhandel und Pornografie

Als Menschen- bzw. Kinderhandel gilt gemäß UN-Menschenhandelsprotokoll „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen (…) zum Zweck der Ausbeutung“. Dies geschieht zumeist durch „die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit.” [1]

Dieselbe Form von Ausbeutung findet man auch in der Herstellung von pornografischem Material. Ein junger Mann, der jahrelang Pornos konsumiert hatte, erzählt, dass sein Ausstieg aus der Abhängigkeit erst gelang, nachdem er eines Tages bewusst in die Augen einer Pornodarstellerin geblickt und erkannt hatte, dass diese Person das alles nicht freiwillig machen konnte. Pornografie ist ein Gesicht der Prostitution. Die Pornodarstellerin ist eine Prostituierte, die sich vor der Kamera prostituiert. Sobald Prostitution medial umgesetzt wird, sprechen wir von Pornografie.

Pornografie ist ebenso wie Prostitution ein Geschäft mit vielen Profiteuren. Selten sind dies jedoch die Akteure selbst, sondern Hintermänner, Zuhälter, Filmemacher und Geschäftsleute. Eine Überlebende erklärt, dass sie sehr oft gezwungen wurde, extremere Dinge vor laufender Kamera zu machen, als vorher abgesprochen wurde. Sowohl in der Prostitution als auch in der Pornografie, werden Frauen körperlich misshandelt und vergewaltigt. Blaue Flecken, Würgemale am Hals, eine geschundene Vagina oder After sprechen für sich.

Der Konsument weiß: Das Opfer hat keine Macht. Das, was Sex ursprünglich sein sollte, – das Eins werden zweier Menschen, die sich lieben, eine wunderbare Intimität und ein tiefes Verstehen-, wurde zu einer Farce. Es gab ein Einverständnis, es wurde bezahlt. Die Gefühle des anderen spielen ab sofort keine Rolle mehr. Es sollte jedoch verwundern, dass in unserer westlichen, aufgeklärten Kultur so wenige Stimmen laut werden, die Pornografie unterbinden oder wenigstens gesetzlich strenger regeln wollen. Das Leid anderer wird auf erniedrigende Weise dargestellt, ohne Aufschrei, ohne Widerrede der Gesellschaft.

Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) definiert sexuelle Gesundheit folgendermaßen: Sexuelle Gesundheit ist ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf Sexualität. Es erfordert einen positiven und respektvollen Umgang mit Sexualität und sexuellen Beziehungen sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt. [2]

Pornografie und Prostitution – Eines führt zum Anderen

Das Verhalten der meist männlichen Kunden von Prostituierten ist von Pornokonsum gezeichnet. Zwischen Zuschauer und Darsteller herrscht eine absolute Distanz. Es wird eine visuelle Realität vermittelt, die keine ist und ausschließlich der Befriedigung des Konsumenten dient. Einen noch bedeutsameren Einfluss auf das (sexuelle) Verhalten haben Gewaltpornos. Der Zuschauer möchte das praktizieren, was er gesehen hat und eine Prostituierte ist sehr wahrscheinlich das einzige Gegenüber, das dazu bereit ist. Pornografie und Prostitution hängen eng zusammen und sind gleichermaßen Menschen verachtende Systeme, die in keinster Weise auf das Wohl oder gar die Freiheit des Einzelnen abzielen. Love Is More liegt die Freiheit des Einzelnen – sowohl der Frauen und Männer vor der Kamera als auch des Pornoabhängigen – sehr am Herzen. Bist du auf der Suche nach Freiheit? Wir bieten einen kostenlosen Videokurs sowie zahlreiche Kontakte zu Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen an. In diesem Beitrag erzählen zwei ehemalige Pornodarsteller von ihrem Albtraum am Pornoset.

 

[1] https://www.gewaltinfo.at/themen/2013_10/definition.php

[2] http://www.who.int/topics/sexual_health/en/

 

*Auch männliche Darsteller sind betroffen! Der Einfachheit halber (und weil es an Häufigkeit überwiegt) adressieren wir hier weibliche Darstellerinnen.

Bildquelle: © william-randles/unsplash

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